Städtebauliche Neuordnung
Ursachen des Verschwindens
Durch den nach 1945 in den ehemals deutschen Gebieten erfolgten neuen Städtebau sind zwar Orte nicht „verschwunden“, aber sie haben oftmals ihren Charakter und ihre Atmosphäre bis zur Unkenntlichkeit verändert. Zunächst wurde in der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten Polen und Tschechoslowakei im neoklassizistischen „Zuckerbäckerstil“ gebaut. Dieser repräsentative Stil wurde von Josef Stalin verordnet. Die Bauweise war solide, doch ging die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum viel zu langsam voran. Nach Stalins Tod 1953 ordnete sein Nachfolger Nikita Chruschtschow an, Plattenbauten aus Beton zu errichten, die billiger waren und schneller ausgeführt werden konnten, um der Wohnungsnot Herr zu werden.
Die in der Sowjetunion „Chruschtschowka“ genannten Wohnblocks aus Betonfertigbauplatten waren meist fünfstöckig, besaßen keinen Dachboden, keinen Fahrstuhl und nur geringe Wärme- und Schalldämmung. Sie entstanden in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, und an vielen anderen Orten dieser Region. Diese Bauten prägen bis heute das Bild der Städte. Ganz ähnlich wurde auch in Polen und der Tschechoslowakei gebaut. Plattenbauten entstanden anstelle kriegszerstörter Innenstädte, aber auch als komplette Neubaugebiete.
Autogerechte Innenstädte waren ähnlich wie in Westeuropa ein Ideal des Städtebaus der 1950er, 1960er und 1970er Jahre. Dazu wurden wie etwa in Breslau oder Stettin, aber auch in vielen kleineren Städten Schneisen durch die Innenstädte geschlagen. Kriegszerstörungen begünstigten den Bau von Stadtautobahnen. Vielerorts wurden dafür aber auch noch intakte Viertel, etwa aus der Gründerzeit, niedergelegt.
Königsberg
Ostpreussen
Die stalinistische Sowjetunion wollte in der Oblast Kaliningrad in keiner Weise an die deutsche Vergangenheit Ostpreußens anknüpfen. Die im Krieg stark zerstörten Altstädte von Königsberg, Tilsit und anderen Städten wurden planiert.
Stalin plante Königsberg (ab 1946 Kaliningrad, benannt nach einem kurz zuvor gestorbenen Parteigänger Stalins, der die Stadt nie betreten hatte) zu einer sowjetischen Musterstadt neu zu gestalten. Bis 1990 war das Königsberger Gebiet als militärisches Sperrgebiet für Ausländer weitgehend unzugänglich. Der sozialistische Wiederaufbau der Stadt veränderte den innerstädtischen Bereich bis zur vollkommenen Unkenntlichkeit, da fast alle Wahrzeichen und Baudenkmäler verschwanden und eine komplett neue Stadtstruktur mit stark verändertem Straßennetz und neuer Blockbebauung entstand.
Seit langem sind der (partielle) Wiederaufbau des Königsberger Schlosses und eine kleinteilige Neubebauung der Innenstadt geplant. An Stelle einer interstädtischen Stadtbrache entstand ab 2007 eine Häuserzeile am Pregel, das „Fischdorf“. Es besitzt historisierende Fassaden mit stilisiertem Fachwerk. Sie sollen an die zerstörten Speicherhäuser erinnern, haben ansonsten aber nichts mit der Vorkriegsbebauung gemein.
Stettin
Pommern
Die Moltkestraße, seit 1945 Aleja Wyzwolenia, in Stettin 1931, 1948 und 1975.
Die nach dem preußischen Feldherrn Helmuth von Moltke benannte wilhelminische Prachtstraße wurde Ende des 19. Jahrhunderts angelegt. Sie führte vom Stettiner Zentrum nach Norden. Das zweite Foto zeigt die Kriegszerstörungen, insbesondere durch die Luftangriffe der britischen Royal Air Force 1944. 90 Prozent der Altstadt und 70 Prozent der übrigen Stadtteile waren verwüstet. Die Straße wurde nach 1945 komplett neugestaltet. Auf dem dritten Foto von 1975 stammt nur noch die Straßenbahn aus der Vorkriegszeit.
Alle Fotos: Wikipedia