Entfernen von Symbolen
Ursachen des Verschwindens
Der ethnisierte Charakter städtischer Räume lässt sich auf zwei Ebenen ablesen. Die erste Ebene ist die Sprache, ablesbar etwa an Ortsnamen, Straßennamen, Hinweis- und Reklameschildern.
Diese Namen haben nicht nur praktische Funktionen zur Orientierung und Kommunikation im Alltag, sondern auch Symbolcharakter. Dies lässt sich nachweisen am Prozess der „Entdeutschung“ bzw. Polonisierung, Russifizierung und Tschechisierung ehemals deutscher Orts- und Straßennamen und topografischer Begriffe.
Die zweite Ebene sind Symbole wie Denkmäler im städtischen Raum. Viele Denkmäler europaweit hatten und haben einen nationalen Charakter. Dies galt auch für das frühere Ostdeutschland. Der schnelle Sturz deutsch konnotierter Denkmäler und ihr Verschwinden aus dem Stadtbild ehemals deutscher Städte sollte die deutsche Vergangenheit dieser Orte negieren.
Ähnlich verhielt es sich mit deutschen Friedhöfen. Vielerorts gab es bis 1945 ausschließlich deutsche Grabstätten. Das Fehlen von polnischen, russischen oder tschechischen Gräbern war ein sprechendes Indiz dafür, dass Angehörige dieser Völker hier vor 1945 nicht ansässig waren. Da dies die offizielle Propaganda konterkarierte, ordneten staatliche Stellen die Zerstörung deutscher Friedhöfe an. In Großstädten wie Breslau verschwanden fast alle Friedhöfe, während die Befehle in Dörfern aus religiöser Pietät oder Indifferenz oft nicht ausgeführt wurden. Hier führte mangelnde Pflege häufig zum Verschwinden dieser Gedenkorte.
Neue Namen
Nachdem die deutschen Ostprovinzen 1945 an Polen bzw. die Sowjetunion gefallen waren, fand innerhalb weniger Monate eine Umbenennungswelle statt. Die Erinnerung an alles Deutsche sollte so schnell wie möglich getilgt werden. Allein in den nun polnischen Gebieten mussten über 30.000 Orte, Zehntausende topographischer Begriffe wie Flüsse, Seen oder Berge sowie Hunderttausende von Straßen und Plätzen mit polnischen Namen versehen werden. Für die reibungslose Tätigkeit von polnischen Behörden, Post und Eisenbahn musste die Vergabe neuer Ortsnamen schnell erfolgen.
Bereits in der NS-Zeit hatte es zahlreiche Umbenennungen von Orten in den Ostprovinzen gegeben: in Schlesien vor allem 1934, in Ostpreußen 1938/39. In Ostpreußen allein wurden mehr als 1.760 Ortsnamen „verdeutscht“. In manchen Landkreisen betraf das bis zu 70 Prozent der Ortschaften. Die historischen Ortsnamen sollten verschwinden, wenn sie auf slawische oder litauische Ursprünge hindeuteten. Die neuen Namen waren oft Phantasieprodukte: Hauptsache, sie klangen deutsch.
Die Polonisierung der Ortsnamen 1945 wies teilweise chaotische Züge auf. Es fehlten klare Vorschriften und geregelte Verfahren. Die Polnische Eisenbahn, lokale Behörden und Neuansiedler vergaben oft ohne Abstimmung mit Warschau nach Gutdünken polnische Namen. Zum Teil wurden deutsche Namen einfach phonetisch ins Polnische übertragen. Mancherorts wurden Orte nach polnischen Persönlichkeiten benannt. Andernorts wurden Namen vergeben, die an die Herkunft der Neuansiedler erinnerten.
Es konnte geschehen, dass Orte plötzlich mehrere Namen hatten, Eisenbahnstationen anders hießen als die dazugehörigen Ortschaft en oder gleichlautende Namen sich häuft en. Außerdem mangelte es in der Anfangszeit an Ortsschildern und Wegweisern.
1946 wurde die polnische „Kommission zur Festsetzung von Ortsnamen“ wiederbegründet, die es bereits in der Zwischenkriegszeit gegeben hatte. In ihr saßen Historiker und Sprachwissenschaftler, die systematisch und zentral gelenkt versuchten, die ursprünglich polnischen bzw. westslawischen Ortsnamen in den „Wiedergewonnen Gebieten“ zu ermitteln und erneut zu vergeben. Bei Namen wie Breslau, Liegnitz oder Pommern war das kein Problem. Es gab aber auch deutsche Gründungen, die keinen ursprünglich polnischen Namen trugen. Hier wurde entweder der Wortsinn ins Polnische übertragen oder es wurden ganz neue Namen vergeben.
In der Tschechoslowakei hatte bereits die junge Republik nach 1918 tschechische Namen als amtliche Alternative zu den deutschen Namen in den deutsch besiedelten Gebieten vergeben. Im Königsberger Bereich, dem nördlichen Ostpreußen, wurde bewusst vermieden, phonetisch oder inhaltlich an die deutschen Ortsnamen anzuknüpfen. Nichts sollte an die deutsche Vergangenheit erinnern: Aus Königsberg wurde Kaliningrad, aus Tilsit Sowetsk, aus Pillau Baltijsk, aus Gumbinnen Gussew. Viele Orte erhielten keine russischen Namen mehr, was darauf hindeutet, dass sie frühzeitig aufgegeben wurden.
Friedhöfe in Breslau
Schlesien
Zu den über 100 planierten deutschen Friedhöfen im Stadtgebiet Breslaus zählt der 1777 in der Nikolai-Vorstadt angelegte evangelische Große Friedhof (auch St. Elisabeth-Friedhof genannt). Hier wurden bedeutende Persönlichkeiten bestattet: Breslauer Oberbürgermeister, Künstler, Musiker, Fabrikanten und Carl Gotthard Langhans, Architekt des Klassizismus und Baumeister des Brandenburger Tores in Berlin. Die Grabmale hatten oft repräsentativen Charakter und kulturhistorische Bedeutung. Der Friedhof wurde 1957 gezielt beseitigt, um die Erinnerung an die deutschen Bewohner Breslaus zu tilgen. An seiner Stelle befinden sich heute Wohnblocks.
1945 übernahm die neue polnische Stadtverwaltung die Friedhöfe, die nach und nach liquidiert wurden. Vor 1945 waren die Protestanten in Breslau in der Mehrzahl. Heute gibt es keinen evangelischen Friedhof mehr. Bis heute bestehen 16 katholische bzw. kommunale Friedhöfe aus deutscher Zeit. Die Grabsteine der zerstörten Friedhöfe wurden in das Dorf Mirkow nordöstlich von Breslau transportiert, wo sie als Baumaterialien oder als Grundlage für neue, polnische Grabplatten verwendet wurden. Nach dem Ende des Kommunismus 1989 entdeckte man in Mirkow/Mirków noch etwa 200 Grabsteine mit deutschen Inschriften. Die neue Administration stoppte die weitere Verwertung der Grabsteine.
2005 reichten 25 Künstler Entwürfe für das von der Stadt Breslau geplante „Monumentum Memoriae Communis“ ein, das im Park Grabiszyński entstehen sollte. Der Park am westlichen Stadtrand liegt auf dem Areal des ehemaligen städtischen Friedhofes Gräbschen, wo zu deutscher Zeit tausende Breslauer beerdigt worden waren. Nach 1945 wurden die deutschen Gräber eingeebnet und das Krematorium abgerissen.
Der Entwurf der Künstler Alojzy Gryt, Tomasz Tomaszewski und Czesław Wesołowski wurde prämiert und umgesetzt. Zur Eröffnung 2008 trafen Vertreter der vier Religionsgemeinschaften zu einem ökumenischen Gottesdienst zusammen.
In eine 70 Meter lange Wand sind Grabsteine eingefügt, die von verschwundenen deutschen Friedhöfen stammen, von evangelischen, katholischen, orthodoxen und jüdischen. Auf einem Gedenkstein steht auf Polnisch und Deutsch: „Zum Andenken an die früheren Einwohner unserer Stadt, die auf Friedhöfen beigesetzt wurden, die heute nicht mehr bestehen“.
Denkmäler in Breslau
Schlesien
Etwa 70 Denkmäler aus deutscher Zeit wurden nach 1945 von den polnischen Behörden aus dem Breslauer Stadtbild entfernt, um die Erinnerung an die deutsche Vergangenheit der Stadt zu tilgen. Diese Aktionen fanden auf Weisung der Regierung in Warschau statt.
Die Zerstörung von deutschen Denkmälern durch polnische Behörden fand überall in den ehemaligen deutschen Ostgebieten statt. Neben den Monumenten für Einzelpersonen ging es auch um die Beseitigung deutscher Kriegerdenkmäler. Vorausgegangen war die systematische Zerstörung polnischer Denkmäler zwischen 1939 und 1944 durch das nationalsozialistische Deutschland in polnischen Städten. Auch diese Zerstörungswelle war nicht Teil der Kampfhandlungen, sondern fand während der Besatzungszeit statt.
Abstimmungsdenkmäler
Ostpreussen
Große Teile der Provinzen Posen und Westpreußen musste Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg an Polen abtreten. Für einige Gebiete sah der Versailler Vertrag jedoch Volksabstimmungen vor. Dazu zählten das Gebiet Allenstein (südliches Ostpreußen) und das Gebiet Marienwerder (Westpreußen östlich der Weichsel). In Allenstein stimmten 1920 über 97 Prozent der Wähler für den Verbleib beim Deutschen Reich, in Marienwerder 92 Prozent. Zur Erinnerung an das für Deutschland positive Ergebnis entstanden in Allenstein und Marienburg Abstimmungsdenkmäler.
Das Abstimmungsdenkmal in Marienburg, 1922 und das Mariendenkmal an gleicher Stelle heute.
Das Abstimmungsdenkmal in Marienburg zeigte einen Deutschordensritter vor der mächtigen Kulisse der Marienburg, der ehemaligen Residenz des Hochmeisters des Deutschen Ordens. Der Ordensritter repräsentierte in den Augen der Zeitgenossen die deutsche Nationalität, die sich 1920 im Abstimmungsgebiet Marienwerder mit 92 Prozent gegen den Anschluß an Polen ausgesprochen hatte. Nachdem Marienburg als Malbork 1945 polnisch geworden war, wurde die Figur des Ordensritters entfernt und auf der verkürzten Säule eine Skulptur der Jungfrau Maria aufgestellt.
Foto: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek Foto: Peter Pfaender, Frechen
Das Tannenberg-Denkmal
Ostpreussen
Das Tannenberg-Denkmal in Ostpreußen war die größte jemals in Deutschland gebaute Kriegergedenkstätte. Es bestand nur 18 Jahre lang, von 1927 bis 1945.
Das Monument erinnerte an die beiden Schlachten von Tannenberg 1410 und 1914. 1410 unterlag das Heer des Deutschen Ordens dem der polnisch-litauischen Union. 1914 konnte General Paul von Hindenburg die russische Armee in der zweiten Schlacht bei Tannenberg besiegen und aus Ostpreußen vertreiben.
Am zehnten Jahrestag der Schlacht, dem 31. August 1924, fand die Grundsteinlegung statt. Neben Hindenburg nahmen 60.000 Menschen daran teil. Die Entwürfe lieferten die Berliner Architektenbrüder Walter und Johannes Krüger. Sie hatten bei einem Wettbewerb unter 385 Einsendern den ersten Preis gewonnen. 1927 weihte Hindenburg, seit 1925 Reichspräsident, das Ehrenmal ein.
Das monumental und archaisch wirkende Bauwerk besaß einen achteckigen Grundriss und wurde durch acht Türme dominiert. Zeitgenossen erinnerte das Denkmal an das Castel del Monte des Stauferkaisers Friedrichs II. in Apulien oder den Steinkreis von Stonehenge.
Den Mittelpunkt der Anlage bildete ein großes christliches Kreuz. Dieses ließ Adolf Hitler entfernen, der 1934 Hindenburg und seine Ehefrau Gertrud gegen den Willen der Familie im Tannenberg-Denkmal bestatten ließ. Die Wehrmacht transportierte die Särge des Ehepaares im Januar 1945 gen Westen und zerstörte Teile der Anlage. Ihre letzte Ruhestätte fanden die Eheleute in der Marburger Elisabethkirche.
Die unzerstörten Teile des Ehrenmals wurden 1952 von polnischen Pionieren abgetragen. Heute erinnert nur eine Informationstafel an das verschwundene Denkmal.