Kirchenfeindlichkeit und Atheismus
Ursachen des Verschwindens
Die kommunistische Ideologie war der christlichen Religion gegenüber feindlich gesonnen. Stalin hatte schon 1931 mit der Sprengung der Moskauer Erlöserkirche den Sieg über die Religion gefeiert. Im sowjetischen Teil Ostpreußens weigerten sich die Behörden bis 1985, ehemals deutsche, zumeist evangelische Gotteshäuser der russischorthodoxen Kirche zu übertragen, die in der Sowjetunion nur eine Randexistenz führte. Wären diese Übertragungen früher erfolgt, hätten zahlreiche Kirchen überdauert, die so verfielen und abgerissen wurden.
Auch in der Tschechoslowakei gab es viele antikirchliche Maßnahmen, insbesondere gegen die römisch-katholische Kirche, zu der die sudetendeutschen Sakralbauten mehrheitlich zählten. Die antikatholischen Impulse speisten sich nicht nur aus dem Marxismus, sondern gingen zurück bis auf die zwangsweise Rekatholisierung der Böhmischen Länder durch die Habsburger nach 1620 und die Nähe des katholischen Klerus zum Wiener Hof bis 1918.
Demgegenüber wurden in Polen, in dem die katholische Kirche auch zu kommunistischer Zeit eine wichtige Rolle spielte, weniger Gotteshäuser zerstört. Vor allem katholische Kirchen, in Teilen ohnehin im Besitz der polnischen Bevölkerungsanteile in Preußen, blieben oft von der Schleifung ausgenommen. Aber auch viele deutsche evangelische Gotteshäuser wurden in polnische, römisch-katholische Kirchen verwandelt. Zahlreiche im Krieg beschädigte deutsche Kirchen wurden sogar vorbildlich wiederaufgebaut.
Ein neues Menschenbild
Ostpreussen
Im kommunistischen Russland waren nach der Oktoberrevolution 1917 zahllose orthodoxe Kirchen geschlossen, zweckentfremdet und abgerissen worden. Ziel dieser Politik war es, einen „neuen Menschen“ oder „Sowjetmenschen“ zu prägen, der nicht religiös, sondern an die Partei gebunden war.
Der gesellschaftliche Wandel führte zu einer atheistischen Erziehung und die jüngere Generation hatte daher zumeist keinen Bezug zur christlichen Religion. Im Vergleich zu den russisch-orthodoxen Gotteshäusern mit ihren Zwiebelkuppeln empfanden die Neusiedler in Nord-Ostpreußen die westlichen Kirchen mit ihren spitzen Kirchtürmen als fremdartig. Erst im Jahre 1985 wurde die erste ehemals evangelische Kirche in Juditten/Mendelejewo an die russisch-orthodoxe Kirche übergeben. Seit Anfang der 1990er Jahre bis heute folgten einige weitere.
Kirchen in Ostpreußen
Im heute russischen nördlichen Ostpreußen gab es 1945 nach Forschungen des Kaliningrader Archivars Anatolij Bachtin 224 Kirchen. Schon 1997 waren 97 Kirchen vollkommen zerstört und von 65 nur noch Fragmente übrig. 20 Jahre später hat sich der Verfall vielerorts fortgesetzt.
Die Kirchen stammten aus allen Epochen vom 14. bis zum 20. Jahrhundert. 20 Generationen hatten an ihnen gebaut. Die meisten Gotteshäuser auf dem Land wurden nicht durch Kriegseinwirkungen, sondern erst in der Nachkriegszeit vernichtet. Ursachen waren bewusste Zerstörung, Vandalismus und Vernachlässigung. Die Zerstörung erfolgte seit Ende des Zweiten Weltkrieges in jedem Jahrzehnt und dauert an vielen Orten bis heute an.
In der Oblast Kaliningrad war nach 1945 alles kirchliche Leben offiziell untersagt. Ein Gesuch der russisch-orthodoxen Kirche um Übernahme verlassenener deutscher Kirchen wurde von der Moskauer Führung abgelehnt.
Auf Beschluss der kommunistischen Partei in der Oblast Kaliningrad erfolgte die Nutzung der Kirchen durch Kolchosen, andere Betriebe, Gemeinden und Einzelpersonen. Zunächst wurden viele Gotteshäuser noch als Lagerräume oder Viehställe zweckentfremdet. Da man an ihnen zu kommunistischer Zeit keine Reparaturen vornahm, wurden viele baufällig. Das wiederum bewirkte, dass Kolchosvorsitzende oder Bürgermeister sie als Steinbrüche freigaben: Aus ihren Feld- und Ziegelsteinen wurden so oft Ställe, Schuppen und Garagen erbaut.
Kirchen in Königsberg und Umgebung
Ostpreussen
Kirchen und Klöster im ehemaligen Sudetenland
Nach Forschungen von Michal Stehlík (Universität Prag) sind in der kommunistischen Tschechoslowakei zwischen 1948 und 1989 mindestens 575 Kirchen und Kapellen zerstört worden. Mehr als die Hälfte davon lag in den sudetendeutschen Gebieten, insbesondere in Nordböhmen. Etliche fielen mitsamt den sie umgebenden Dörfern dem Braunkohletagebau zum Opfer. Die spektakuläre Verschiebung der Kirche von Brüx/Most im Braunkohlegebiet 1975 ist ein Einzelfall.
Viele verschwundene Kirchen lagen im Grenzgebiet oder auf Truppenübungsplätzen wie die Kirchen von Duppau/Doupov und Ralsko. Andere, wie die von Negranitz/Nechranice und Preßnitz/Přísečnice, versanken in den Fluten von Stauseen. Die meisten verfielen durch jahrzehntelangen Leerstand und wurden letztendlich abgerissen.
Die kommunistische Regierung enteignete die Kirchen und verbot die katholischen Orden. Mönche und Nonnen wurden in Lagern, oft in den ehemaligen Klöstern (Osseg/Osek in Nordböhmen und Braunau/Broumov in Ostböhmen), gefangen gehalten. Man nannte sie „Aussterbeklöster“ und wartete auf das (vorzeitige) Ableben der Insassen. Andere wurden Kasernen für die Grenztruppen am Eisernen Vorhang (Tepl/Teplá in Westböhmen, Hohenfurth/Vyšší Brod in Südböhmen, Raigern/Rajhrad in Südmähren). Nach der „Samtenen Revolution“ 1989 wurden die Klöster an die Orden restituiert. Die Restaurierung der zum Teil völlig desolaten Anlagen, oft mit Geldern aus Deutschland oder von der EU, dauert bis heute an.